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NIGHT PARADE
mit Frauke Boggasch, Kunstverein Neukölln, Berlin, 2021

Für ihre Ausstellung im Kunstverein Neukölln greifen Frauke Boggasch und Ayumi Rahn auf die legendären Darstellungen der einhundert Geister und Dämonen zurück, die in unterschiedlichsten Varianten seit Jahrhunderten in Japan existieren.

Die Mythologie der sogenannten Yōkai spielt bis heute in der traditionellen wie populären Kultur Japans eine große Rolle. In einer animistisch gedachten Welt ließen sich Yōkai wohl am ehesten als Verkörperungen des Unaussprechlichen begreifen. Sie können als böswillige Unheilstifter auftreten, als furchterregende Erscheinungen und strafende Dämonen, aber auch als wohlwollende Kreaturen. Als übernatürliche Wesen rufen sie ins Bewusstsein, wie sensibel und verletzlich das Gleichgewicht ist zwischen Mensch und Natur und zwischen dem Menschen und seinen Mitmenschen. Yōkai sind ebenso Ereignis, Existenz und Form. Sie stecken hinter seltsamen Vorfällen, unheimlichen Begegnungen und können unvermittelt in jeder Situation auftauchen. Sie dienen als Begründung für unerklärliche Erscheinungen und mysteriöse Phänomene.

Die Welt der Yōkai ist wunderschön und vielfältig und präsentiert sich am eindrucksvollsten in jener berühmt-berüchtigten Hyakki Yagyō, in der Nachtparade der einhundert Geister und Dämonen, auf die sich der Ausstellungstitel bezieht. Tatsächlich ist eine solche Nachtparade eine gar nicht mal so seltene Erscheinung: Für eine Nacht versammeln sich Yōkai von überall her und ziehen stundenlang gemeinsam durch die Straßen, führen dem ungläubigen Publikum in einer nicht enden wollenden Parade ihre Vielfältigkeit vor, ihre magischen Kräfte zur Verwandlung, ihre Lebendigkeit.

Frauke Boggasch und Ayumi Rahn haben sich zu Beginn der Coronazeit kennengelernt, und bei ihrem Kennenlernen haben auch Yōkai eine Rolle gespielt: so entstand aus einem Briefwechsel ein Austausch von Yōkai-Zeichnungen, ein künstlerischer Dialog, der bald ein Eigenleben zu führen begann. Zu den Yōkai, die den Austausch verschiedener Gedanken, Ängste und Wünsche weiterführten und vertieften, gesellten sich dreidimensionale Geistwesen hinzu – bis sich die Parade der einhundert Yōkai vervollständigt hatte und zu einer langen Nacht aufbrechen konnte.